Sind wir zu wenig risikoaffin um in diesem elitären System mitarbeiten zu dürfen?

Ich arbeite an der Uni Kassel in einem Projekt, welches durch ein Ministerium der hessischen Landesregierung finanziert wird. Dieses Projekt läuft seit Anfang 2015 und wurde zunächst auf 5 Jahre angelegt. Der von der Landesregierung angedachte Projektzeitraum von 5 Jahren wurde allerdings nie verschriftlicht. Das Ministerium arbeitet hier gern mit mündlichen Zusagen.
In den ersten Jahren des Projektes wurden für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen durch die Universität Kassel Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von maximal 1-2 Jahren ausgestellt. Die Vertragslaufzeiten entsprachen folglich keineswegs § 2 Abs. 2 WissZeitVG, wonach die vereinbarte Befristungsdauer dem bewilligten Projektzeitraum entsprechen soll. Wahrscheinlich deshalb, weil Bewilligungen in der Regel in verschriftlichter Form auftreten.
Auf Grundlage einer verschriftlichten Gesprächsnotiz zur Projektlaufzeit wurden dann dennoch, nach einer großangelegten Beschwerde aller Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen mit Unterstützung der Mittelbauvertreter*innen, für eine willkürlich erwählte Hälfte aller Mitarbeiter*innen Verträge ausgestellt, welche bis zum Ende des Projektes gelten. Die andere Hälfte der Mitarbeiter*innen bekam eine jährliche Verlängerung, insofern sie nicht schwanger wurde – dann bekam sie keinen Vertrag.
Nun steuern wir allmählich auf das vermeintliche Ende der Projektlaufzeit zu. Vermeintlich – da es nun wieder mündliche Aussagen von Seiten des Ministeriums gibt, wonach das Projekt bis zur nächsten Landtagswahl fortgesetzt wird. Die prekärer beschäftigte Hälfte der Mitarbeiter*innen hat einen Vertrag bis Ende dieses Jahres. Die andere Hälfte bis Mitte Februar nächstes Jahres. Insgesamt werden derzeit über 60 Mitarbeiter*innen mit Floskeln wie „wird schon weitergehen“ vertröstet, die weder verschriftlicht und erst recht nicht in Vertragsform gegossen werden. Es liegt also an uns als Mitarbeiter*innen wie lange wir die Ungewissheit aushalten. Die, die länger ausharren, bekommen ja vielleicht nochmal einen Vertrag. Vielleicht lohnt es sich ja zu warten. Die, die aus Angst die eigene Familie nicht mehr ernähren zu können oder Kredite nicht mehr abbezahlen zu können, schon früher gehen, sind wohl zu wenig risikoaffin um in diesem elitären System mitarbeiten zu dürfen.
Frohe Weihnachten!
(Bericht aus einem Projekt)