Gesammelte Einwände der Hochschulleitung und unsere Antworten

Ganz unten findet ihr ein Glossar, mit den wichtigsten Begriffen der Debatte.

Immer wieder hören wir von der Hochschulleitung die gleichen Argumente. Diese können leicht widerlegt bzw. entkräftet werden. Wir haben gesammelt und unsere Argumente zusammengetragen, sodass ihr jederzeit darauf zurückgreifen könnt.

 

Das Problem ist zu komplex für eine verbindliche Vereinbarung. Es gibt bald eine Leitlinie als (einseitige) Willenserklärung der Universität.

Für verschiedene Beschäftigtengruppen braucht es unterschiedliche Lösungen, damit eine Entfristung möglich ist. Diese zu finden ist absolut möglich und es ist auch möglich, in einer allgemeinen, verbindlichen Regelung nach Gruppen zu differenzieren. Wir haben bereits die verschiedenen Gruppen identifiziert und Maßnahmen vorgeschlagen, dies umfasst z.B. die Etablierung eines Pools, aus dem Drittmittel-Stellen entfristet werden können, sollte es doch mal zu einem Finanzierungsengpass kommen. Wichtig ist aus unserer Sicht vom Ziel her zu denken – eine umfassende Entfristung für die Beschäftigten der Universität – und entsprechende Strategien zu erarbeiten, wie wir an dieses Ziel gelangen. Rechtlich oder finanziell steht einer solchen Vereinbarung nichts Grundlegendes im Weg.

Eine Leitlinie ist keineswegs ausreichend, da sie lediglich einseitig erklärt wird, keinerlei Beteiligung der Beschäftigten in Form ihrer Interessensvertretung – dem Personalrat – vorsieht und ohne überprüfbare Zielvorgaben und Monitoring-Mechanismen auskommt. Im Einklang mit dem Personalrat fordern wir eine verbindliche Regelung die konkrete (auch quantifizierbare) Ziele formuliert und ein entsprechendes Monitoring vorsieht.

Die Hochschulleitung kann den Fachbereichen da nicht reinregieren. Das Hessische Hochschulgesetz (HHG) lässt das nicht zu.

Das Hessische Hochschulgesetz (HHG) regelt in § 7 “Entwicklungsplanung” lediglich, dass sowohl zwischen Landesregierung und Hochschulen, als auch zwischen Präsidium und Fachbereichen gemeinsame Vereinbarungen mit Zielvorgaben geschlossen werden sollen. Es ist Aufgabe der Hochschulen die Entwicklungsplanung zu leiten.

Das Präsidium interveniert bislang in den Fachbereichen, Abteilungen und Einrichtungen unter anderem dann, wenn es darum geht Entfristungen von Kolleg*innen zu verhindern. Stattdessen könnte es andersherum also auch auf Zielvorgaben für Dauerstellen hinwirken, die dann überprüfbar von den Fachbereichen umgesetzt werden.

Die Ankündigung des Präsidiums, den Anteil der befristeten Lehrkräfte für besondere Aufgaben in einem überschaubaren Zeitraum auf eine quantifizierte Menge zu begrenzen (laut Interview des Präsidenten mit der HNA vom 01.April 2019), macht deutlich, dass solche Zielvorgaben möglich sind.

Wir haben ja schon alles umgesetzt, was in anderen Dienstvereinbarungen drinsteht, z.B. das 3+2 Modell bei Qualifizierungsstellen (Bezug zur Dienstvereinbarung der Viadrina Frankfurt-Oder)

Nein, haben wir nicht. Keine Frage, die Dienstvereinbarung der Viadrina bleibt weit hinter unseren Forderungen zurück, dennoch ist es vermessen zu behaupten, dass an der Universität Kassel schon alles umgesetzt sei. Deutlich wird das bereits bei der vollen Ausnutzung der familienpolitischen Komponente (Verlängerung um 2 Jahre pro Kind), die durch die Dienstvereinbarung der Viadrina für aus Landesmitteln Bezahlte verbindlich und für Drittmittelbeschäftigte analog durch Querfinanzierung durch die Universität umgesetzt wird. An der Universität Kassel (Nachwuchskonzept 2012) ist dies immer noch eine Kann-Bestimmung (1-2 Jahre) und gilt ausschließlich für aus Landesmitteln Beschäftigte, Drittmittelbeschäftigte schauen bei Vertragsverlängerungen meist in die Röhre oder müssen auf kostenneutrale Verlängerung vom Drittmittelgeber hoffen.

Post-Doc-Stellen werden durch die DV der Viadrina auf mind. 4 Jahre und über 100%-Verträge abgedeckt. Bei (noch) nicht erfolgter Qualifizierung wird Verlängerung bis zur Höchstbefristungsdauer angestrebt. An der Universität Kassel gibt es für Post-Doc-Stellen keine verbindlichen Vorgaben.

Qualifizierungsstellen in der ersten Qualifizierungsphase (Promotion) dürfen 50% einer Vollzeitäquivalenz nicht unterschreiten (wir fordern hier langfristig 65%). An der Universität Kassel gibt es hierzu keine Regelungen, so dass es leider auch 25% -Verträge oder Schlimmeres an einigen Fachbereichen gibt. [1]

Der einzige Bereich, in dem die Universität Kassel besser abschneidet, und den sich der Kanzler auch als Beispiel auf der Personalversammlung im März 2019 ausgewählt hat, ist das 3+2-Modell bei Erstanstellungen zur Qualifikation (von Landesmittelbeschäftigten). Und selbst da gilt es anzumerken, dass viele ausgeschriebene Stellen nicht einmal diese Mindeststandards erfüllen, wie man schon unserer kleinen Zusammenschau von im April 2019 ausgeschriebenen Stellen entnehmen kann: https://unikasselunbefristet.com/2019/05/03/prekaritaetsolympiade/

Damit wird klar – Leitlinien allein erzeugen keinen Wandel, wenn der tatsächliche Wille und die Kontrolle der Umsetzung dahinter fehlt.

 

Wir werden – eventuell – einen Teil der neuen Hochschulpaktmittel und der verstetigten QSL-Mittel für Entfristungen nutzen, aber dann nur in von uns identifizierten ‘kritischen Bereichen’. Im Tech-Admin-Bereich ist (umfassende) Entfristung nicht möglich.

Damit diese nun verstetigten Mittel tatsächlich auch für umfassende Entfristungen verwendet werden, braucht es eine konkrete und überprüfbare Regelung. Ohne Kontrolle wird sich durchgeschummelt (s. 3+2-Regel oben).

Wieso aber technisch-administratives Personal nicht von den verstetigten Mitteln profitieren soll, ist nicht nachvollziehbar. Gerade im technisch-administrativen Bereich sind Vertragslaufzeiten, Stellenzuschnitte, Teilzeit und Befristung in vielen Bereichen von besonderer Absurdität und Dysfunktionalität geprägt. Sachgrundlose Befristungen sorgen dafür, dass an vielen Schnittstellen wichtige Aufgaben alle zwei Jahre von einer neuen Person angegangen werden müssen bzw. Stellen auch einfach unbesetzt bleiben, weil sich Angestellte auf bessere Arbeitsmöglichkeiten wegbewerben. Es handelt sich hier oftmals um Aufstockungen zu den bestehenden unbefristeten Teilzeitverträgen (von denen Frauen in sehr hohem Maß an der Universität Kassel betroffen sind).  Eine bessere Personal- und Finanzplanung ist auch hier möglich. Ein weiteres Durchwurschteln ist nicht nur für die Kolleg*innen unverantwortlich, es ist auch eine riesige Geldverschwendung (s.u.).

Die Universität Kassel sitzt auf einem strukturellen Defizit von 5 Millionen Euro. Das ist unhintergehbar und dessen Ausgleich durch die Verstetigung von QSL-Mitteln & Hochschulpaktmitteln alternativlos. Für Entfristung und/oder das Schaffen unbefristeter Stellen ist kein Geld da.

Die Hochschulpaktmittel sind nun nicht nur verlängert, sondern verstetigt, sodass es keine Ausreden mehr geben kann, Stellen nicht zu entfristen. Das hätte zwar bereits vorher passieren können, jetzt geht es noch leichter.

Vergessen wird zudem immer wieder die ungeheure Geldverschwendung, die mit dem ständigen Austausch von Personal und ihren Tätigkeitsfeldern einhergeht. Nicht nur geht permanent Wissen verloren, über “Laufzeiten” entwickelte Projekte müssen ohne jede Nachwirkung wieder eingestampft werden. Die Universität ist eine öffentliche Einrichtung mit einem gesellschaftlichen Auftrag – es werden junge Menschen ausgebildet, die Forschung trägt zu vielfältigen Erkenntnisprozessen bei und Verwaltung und Technik halten den ganzen Laden am Laufen. Es ist daher gesamtgesellschaftliche Aufgabe für gute Bedingungen zu sorgen, unter denen diese Tätigkeiten stattfinden. Wenn es eine Finanzlücke geben sollte, dann ist es die Verantwortung der Universität auf den entsprechenden Ebenen dafür zu sorgen, dass dieses Defizit erkannt und geschlossen wird.  Die nun vereinbarte Verstetigung der Hochschulpakte ist ein Signal, dass die bisherigen Abläufe längst nicht in Stein gemeißelt sind und verändert werden können, wenn die Bedürfnisse mit Nachdruck artikuliert werden.

 

Zu einem großen Teil handelt es sich dabei [wissenschaftliches Personal] um Drittmittelpersonal. Das heißt, die Stellen werden aus Mitteln finanziert, die für ein bestimmtes, auf wenige Jahre angelegtes Forschungsprojekt eingeworben wurden.

Das stimmt und es stimmt nicht. Die Mittel für sogenannte “Landesstellen” sind nicht befristet. Technisch-administratives Personal wird darauf meist entfristet angestellt, wissenschaftlich Beschäftigte hingegen nicht. Während es keine Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, dass Promotionsstellen befristet werden, so gibt es doch deutliche Differenzen in der auskömmlichen Ausgestaltung dieser Stellen (s.u.). Zudem fordern wir eine Entfristungsperspektive für bereits promovierte Kolleg*innen. Sie haben durch ihre Promotion hinreichend gezeigt, dass sie wissenschaftlich qualifiziert sind. Der Verweis auf den hohen Anteil befristeter Drittmittel ist hingegen richtig. Daraus aber schlicht eine umfassende Befristungspraxis abzuleiten ist wiederum falsch.

Wir fordern von der Hochschulleitung, dass sie ein Konzept erarbeitet, wie trotz der befristeten Mittel, gute, langfristige Arbeitsplätze möglich sind. Dazu gehört eine systematische Personalplanung, dazu gehören finanzielle Pool-Lösungen. Die Praxis zeigt: Viele Angestellte sind in aufeinanderfolgenden Projekten mit Kettenverträgen angestellt, da ihre Expertise projektübergreifend gebraucht wird. Dabei handelt es sich um Wissenschaftler*innen, Wissenschaftsmanager*innen und Verwaltungsangestellte. Es ergibt wenig Sinn diese immer wieder auszutauschen. Dementsprechend sollten auch die Beschäftigungsverhältnisse ausgestaltet sein. Eine solche systematische Personalplanung scheint aber kein Interesse der Hochschulleitung zu sein.

 

Eine Beteiligung des Personalrats beim Thema Personalplanung und Beschäftigungsbedingungen ist nicht vorgesehen – es gilt die Governance-Struktur der Universität (begründet durch HPVG/HHG). Dies ist Sache der HL und Entwicklungsplanung.

In der Tat sieht das Hessische Personalvertretungsgesetz (HPVG) – insbesondere im Vergleich zu Bestimmungen in anderen Bundesländern – wenig verpflichtende Beteiligung des Personalrats an diversen Feldern vor. Jedoch sind Dienststelle und Personalrat dazu verpflichtet sich über Maßnahmen auszutauschen, welche die „Gestaltung des Dienstbetriebs“ (§60, Absatz 4), sowie „alle Vorgänge, die die Beschäftigten wesentlich berühren“ (ebd.). Sie müssen dabei Entscheidungen „im Wohle der Beschäftigten“ (ebd., Absatz 1) treffen und bei strittigen Fragen auf eine Einigung hinarbeiten. Abgesehen davon, dass beim Thema Befristung nicht eindeutig der Personalrat beteiligt werden muss, steht einer demokratischen und im Sinne der Beschäftigten sich vollziehenden Verhandlung mit der Interessensvertretung der Angestellten natürlich nichts im Weg. Es ist letztlich der fehlende politische Wille und nicht das Gesetz das eine verbindliche Vereinbarung zwischen Personalrat und Hochschulleitung behindert. Das Problem der Befristung ist so umfassend und betrifft so wesentlich die Organisation des Dienstbetriebs sowie die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten, dass aus unserer Sicht eine Verhandlung mit dem Personalrat ohne Einschränkung gefordert ist.

 

Wir können nicht alle Qualifikationsstellen entfristen.

Uns wird immer wieder unterstellt, wir würden fordern, Promotionsstellen zu entfristen. Das haben wir nie behauptet. Was wir fordern sind auskömmliche und sinnvoll strukturierte Stellenumfänge für Promovierende, die dazu führen, dass die Kolleg*innen tatsächlich ihre Promotion in der Zeit schaffen, die ihnen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dafür zur Verfügung stellt. Dies sind insgesamt bis zu sechs Jahre. Der einzige Grund, den dieses Gesetz für die Befristung vorsieht, ist die Arbeit an der Qualifikationsarbeit, das heißt: Die Stelle muss auch so gestaltet sein, dass dieses Ziel in der befristeten Zeit und während der bezahlten Arbeitszeit erreicht werden kann.

Zudem sollten alle Promotionsstellen gleich behandelt werden. Entsprechende Mindeststandards  sind nicht nur auf Landesstellen, sondern auch für auf andere Weise finanzierte wissenschaftliche Mitarbeiter*innen in der Qualifikationsphase (bspw. In Drittmittelprojekten) anzuwenden.

Nach der Promotion besteht kein zwingender Grund dafür, dass Wissenschaftler*innen noch eine Habilitation verfassen – es sei denn, sie streben eine der wenigen Professuren an. Das deutsche akademische System stellt jedoch mit dem Festhalten an der Habilitation, d.h. des ewigen Qualifikationsweges (Studium+Promotion+Habilitation=mind.18 Jahre) ohne Aussicht auf dauerhafte Perspektiven, einen absoluten Sonderfall dar. In vielen Ländern ist die abgeschlossene Dissertation ausreichend, um entfristet an der Uni in Lehre und Forschung zu arbeiten [1]. Die juristischen Möglichkeiten für eine Entfristung sind gegeben, sie müssen von der Uni Kassel nur angewendet werden. Das WissZeitVG sagt deutlich: “Unberührt bleibt das Recht der Hochschulen, das in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Personal auch in unbefristeten (…) Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen.” (WissZeitVG § 1 Abs. 2)

[1] Unter den aktuellen Ausschreibungen für wissenschaftliches Personal findet sich am 4.4. eine einzige unbefristete Stelle, bei der – trotz Gehalt nach 13 TV – noch eine Habilitation als „von Vorteil“ angesehen wird.

Entfristung im wissenschaftlichen Mittelbau verstopft Karrierewege – denkt doch einmal an die folgenden Generationen des exzellenten Nachwuchses, denen Karrieremöglichkeiten an der Uni verbaut werden.

Umgekehrt wird ein Schuh draus – die Universität ist durch die hohe Befristungsquote keine attraktive Arbeitgeberin. Viele “junge Kollegen” und Kolleginnen kehren der Wissenschaft gänzlich den Rücken, da in ihr eine sozialverträgliche Lebensplanung faktisch unmöglich ist.

Qualitativ hochwertige Lehre und Forschung wird vor allem durch sichere Arbeitsplätze gewährleistet – dann gibt es keinen Konformitätsdruck gegenüber Drittmittelgebern, keine Verschwendung kostbarer Arbeitszeit in das Verfassen von unzähligen Finanzanträgen, stärkere Konzentration auf die Lehre und die Betreuung von Studierenden.

Studien verdeutlichen wie schädlich die psychische Belastung für Arbeitnehmer*innen im wissenschaftlichen Betrieb ist – die zeitliche Befristung ist dabei unter den primär Stress erzeugenden Faktoren (Lesener und Gusy 2017). Laut einer Studie über Promovierende, leidet ein Drittel an Symptomen von Depression und anderen psychischen Erkrankungen (Levecque et al 2017). Die ständige Unsicherheit und Anspannung steigert also Angst, nicht Arbeitsmotivation und erst recht nicht Kreativität. Zudem führen die Befristungen zu verstärkter Konkurrenz unter den Kolleg*innen – dies fördert nicht den wissenschaftlichen Austausch, die kooperierende Entwicklung gemeinsamer Gedanken, sondern das Vorenthalten wichtiger Erkenntnisse für den eigenen Karriereweg.

Wenn wir von Entfristung sprechen, meinen wir alle Stellen nach der abgeschlossenen Promotion. Es gibt keinen Grund davon auszugehen, dass es für Lehre und Forschung noch mehr Qualifikation braucht als eine Promotion.

Wir tun beispielsweise mit einem Personalentwicklungskonzept und Grundsätzen für eine faire Personalführung  viel dafür, damit alle Beschäftigten unserer Universität ihre Arbeit gerne machen. Nur so können wir unseren guten Ruf langfristig erhalten.

Das Personalentwicklungskonzept mag in anderer Hinsicht hilfreich sein – in Bezug auf das Befristungsunwesen legitimiert es bestenfalls die bisherige Untätigkeit. Obwohl im Konzept auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu universitären Karrieren von 2014 verwiesen wird, fallen die expliziten Äußerungen des Wissenschaftsrats zur notwendigen Entfristung vollständig unter den Tisch – so wird im Personalentwicklungskonzept Befristung vorwiegend durch die Notwendigkeit von Qualifikationsphasen gerechtfertigt, die Entfristung von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen nur anhand bestimmter Sonderfälle beschrieben. Dabei sprechen die Zahlen im Personalentwicklungskonzept für sich: Von den 2017 gezählten 1.590 wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sind gerade 500 mit einem Promotions- oder Habilitationsprojekt an der Universität – über die Befristungsverhältnisse der anderen erfahren wir hier nichts. Angesichts der aktuellen Ausschreibungen ist anzunehmen, dass auch diese auf ‘Qualifikationsstellen’ angestellt sind.

In diesem Sinne bleibt das Personalentwicklungskonzept 2017-2021 erstmal nichts weiter als eine Rechtfertigung des Status Quo. Dass dabei gerade die Vorgaben des Wissenschaftsrats nicht ernst genommen werden, verdeutlicht, dass die Universität Kassel hier nicht nur die Belange der eigenen Belegschaft ignoriert, sondern auch die wesentlichen Entwicklungen in Deutschland verschläft.

 

Eine Zahl, die von der Initiative UniKassel Unbefristet immer wieder angeführt wird, sind 96% angeblich befristeter Verträge. Diese Zahl bezieht sich aber auf ein bestimmtes Jahr und nur auf neu abgeschlossene Verträge.

Wir haben NIE etwas anderes behauptet. Wir haben sogar immer gesagt, dass darunter sowohl vollständige befristete wie aufgestockte Stellen fallen.

Dass die Zahl “damit nichts mit dem Anteil befristet Beschäftigter zu tun hat” ist hingegen Unsinn. Sie gibt uns eine Idee über das Ausmaß der Befristungen und solange wir von der Unileitung keine Zahlen z.B. hinsichtlich des Umfangs der Aufstockungen bei den technisch-administrativ Beschäftigten bekommen, bleibt uns nichts anderes übrig, als mit den anderweitig erhobenen Daten zu arbeiten.

Gerne kann die Unileitung sich die Mühe machen und auch die Anzahl der Vertragsabschlüsse der Jahre 2014, 2015, 2016 und 2018 auszählen, dann könnten wir in der Tat die Entwicklung besser beurteilen. Doch auch der Personalrat bestätigt die Einschätzung, dass die Anzahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse kontinuierlich gestiegen und inzwischen enorm hoch ist – in allen Beschäftigungsgruppen gibt es diesen Trend.

Wenn die Hochschulleitung jetzt angibt, dass es unter den technisch-administrativ Beschäftigten eine weit höhere Entfristungsquote gibt, als beim wissenschaftlichen Personal, stimmt das natürlich. Wir wissen aber immer noch nichts über den Anteil der Aufstockungen. Aufstockungen bedeuten häufig hohe finanzielle Unsicherheiten für die Kolleg*innen, denn sie mögen zwar eine halbe unbefristete Stelle haben, bangen aber regelmäßig darum, ob sie zu Jahresbeginn auch wieder die Viertel- oder Halbe-Stelle befristet obendrauf erhalten.

Zudem erwähnt die Hochschulleitung nicht bzw. operiert mit irreführenden Zahlen. Es gibt wichtige Einrichtungen an der Uni [2], die zu sehr hohem Anteil befristet angestellte Kolleg*innen beschäftigen bzw. wo Festangestellte die liegen bleibende Arbeit nicht besetzter Stellen oder wegfallender Arbeitsplätze stemmen müssen.

2017 gab es 1.749 Einstellungs-, Aufstockungs- und Weiterbeschäftigungsverfahren (bei einer Gesamtmenge von ca. 2.870 Angestellten) – 1.670 davon befristet oder mit befristetem Anteil. Bei den Technisch-Administrativen Mitarbeiter*innen waren 76% der Neueinstellungen (also Weiteranstellung und Aufstockungen ausgenommen) befristet, beim Wissenschaftlichen Personal betraf dies 95%. Es sind also nicht bloß die prozentualen Anteile eines kleines Ausschnitts der Wirklichkeit erschreckend – die zugrundeliegende Gesamtmenge ist so hoch, dass sie einen sehr erheblichen Teil der Angestellten der Universität betrifft. Dass das Jahr 2017 eine absolute Ausnahme darstellt, ist nicht anzunehmen.

[2] Wie das Servicecenter Lehre (hier liegt der Anteil befristet Angestellter bei 64%, zwei der fünf unbefristeten Stellen haben zudem einen befristeten Anteil), das International Office (Befristung liegt bei 58%), das Sprachenzentrum (mit extrem wenigen und zerstückelten unbefristeten Mini-Stellen, ein Großteil der Sprachkurse wird zudem durch äußerst prekäre Lehraufträge abgedeckt, viele studentische Hilfskräfte stemmen die Sachbearbeitung und alle befristeten Angstellten arbeiten maximal 2 Jahre wegen der sachgrundlosen Befristung ihrer Stellen) oder UniTransfer (wo wir keine aggregierten Daten haben, aber wissen, dass die verschiedenen Abteilungen besonders schwer von auslaufenden Stellen, Arbeitsverdichtung und viel zu geringen Ressourcen geprägt sind).

Etwa 70 Prozent dieser Lehrkräfte [für besondere Aufgaben] sind mit Mitteln eingestellt, die uns nur befristet zugewiesen werden – aus dem Hochschulpakt 2020 vor allem. Zehn solcher Stellen [Lehrkräfte für besondere Aufgaben] haben wir deshalb bereits entfristet

Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfBAs) sollen nach der Aufgabenzuweisung des Hessischen Hochschulgesetzes (§ 66 HHG) vornehmlich dauerhafte und grundständige Lehre abdecken, sie sind damit eigentlich im Regelfall überhaupt nicht zu befristen. Die Universität Kassel hat jedoch auch im Vergleich mit anderen Hochschulen eine besonders hohe Anzahl dieser Angestellten. Laut GEW-Kodex-Check sind 79% aus dieser Kategorie von insgesamt 215 Stellen befristet (im Bundesvergleich liegt der Anteil bei 54%, in Marburg z.B. nur bei 25,45%). Wenn also zehn Stellen entfristet wurden, stellt dies einen minimalen Teil der gesamten Stellen dar und ist damit erst Recht keine aussagekräftige Zahl. Die Hochschulleitung sagt zudem, dass der Grund für die Befristung dieser Stellen die Art der Finanzierung ist, nämlich die Gelder aus dem Hochschulpakt 2020. Es gibt jedoch keinerlei rechtlich zwingende Begründungen dafür, Beschäftigte, die aus diesen Mitteln bezahlt werden, nur befristet anzustellen – ganz im Gegenteil ist einer der Ansprüche des Hochschulpakts 2020 für das Land Hessen, dass die Hochschulen „den Anteil kurzfristiger wissenschaftlicher Beschäftigungsverhältnisse reduzieren und den Anteil attraktiver unbefristeter wissenschaftlicher Beschäftigungsverhältnisse in geeignetem Umfang erhöhen.“ (Hochschulpakt 2016-2020, S. 4f)

In den nächsten drei bis fünf Jahren wollen wir das Verhältnis mindestens umkehren, das heißt einen Anteil von 70 Prozent oder mehr dieser Lehrkräfte [für besondere Aufgaben] auf festen Stellen beschäftigen.

Wir freuen uns, dass die Hochschulleitung wenigstens bei einer Beschäftigtengruppe Handlungsbedarf sieht. Die Zielvorgaben reichen aber bei weitem nicht aus. Alle wissen, dass aufgrund des hohen Umfangs in Lehre und Betreuung der Studierenden für LfbAs eine Qualifikationsarbeit während der Arbeitszeit ausgeschlossen ist. Eine Befristung auf Basis des entsprechenden Gesetzes (WissZeitVG) ist also nicht zu rechtfertigen. Entsprechend sind ALLE LfbAs zu entfristen und von Hochdeputatsstellen in solche umzuwandeln, auf denen Lehre und Forschung tatsächlich miteinander vereinbar sind.

Aber die LfbAs sind bei weitem nicht die einzige Beschäftigtengruppe an der Universität, die unter Befristung leidet. Viele andere sind auch betroffen und verdienen eine umfassende Regelung. Die Ankündigung des Präsidenten zeigt: Planung und Zielvorgaben sind möglich! Wieso nicht für alle anderen Beschäftigtengruppen auch? Nichts anderes fordert die Initiative UniKassel Unbefristet.

 

Glossar

Die jeweils verwendeten Begriffe in der gesamten Befristungsdiskussion können je nach Gemütslage zum Amüsement beitragen oder verärgern. Vor allem aber verunklaren sie die jeweiligen (Beschäftigungs-)verhältnisse. Begriffsdefinitionen sind in der Wissenschaft erste Pflicht, insofern möchten wir hier einige Begriffe näher fassen:

Qualifikation/ Qualifikationsstelle

Allgemein wird darunter eine Stelle verstanden, auf der eine Qualifikationsarbeit – also eine Promotion oder Habilitation verfasst wird.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) vermeidet aber eine genaue Definition der Qualifikationsziele. Dies ermöglicht der Universitätsleitung, Qualifikationsziele nicht direkt zu benennen. Somit sind bei weitem nicht alle so genannten “Qualifikationsstellen” Jobs, auf denen tatsächlich auch promoviert oder habilitiert wird oder werden kann. Darunter fallen Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die aufgrund des hohen Lehrdeputats unmöglich eine Habilitation in ihrer Arbeitszeit verfassen können oder auch Stellen in der wissenschaftlichen Koordination, die gar keine wissenschaftliche Arbeit im engeren Sinne (auch keine Lehre) erbringen und ebenfalls keine Zeit haben für die Promotion oder Habilitation.

Daueraufgaben

Daueraufgaben, so möchte angenommen werden, sind Tätigkeiten, die “dauernd” erbracht werden müssen, um die Kernaufgaben der Universität – Lehre und Forschung und die Verwaltung eben dieser beiden Tätigkeitsfelder – aufrecht zu erhalten.

Doch weit gefehlt. Daueraufgaben werden vor allem über die FInanzierung definiert. Wenn die Finanzierung durch so genannte Drittmittel ausgelaufen ist, scheint auch die eigentlich dauerhaft notwendige Arbeit nicht mehr relevant zu sein. Die Universität finanziert wesentliche Teile ihrer Forschung – aber auch ihrer Lehre! – über sogenannte (meist öffentliche!) Drittmittel. Die Drittmitteleinwerbung, -abrechnung und -umsetzung findet also DAUERND statt. Entsprechend erfüllen auch Drittmittelbeschäftigte – seien es nun Kolleg*innen aus der Verwaltung, der Koordination oder Wissenschaft – Daueraufgaben.

Manchmal geht die Eingrenzung von Daueraufgaben gar so weit, dass nicht etwa die gesamte Lehre als “Daueraufgabe” definiert wird, sondern nur jene Kurse, die wissenschaftliche Techniken vermitteln (Propädeutika, Methodenkurse). Wieso dann aber der Rest der in der Prüfungsordnung vorgesehenen Lehre nicht “dauernd” erbracht werden soll, bleibt offen.

Wissenschaftlicher Nachwuchs

Unter “Nachwuchs” werden all jene gefasst, die eine Promotion oder Habilitation verfassen. Diese Personen sind aber meist weit über 30 Jahre alt und haben hinreichend ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Nicht zuletzt aufgrund des Alters der so bezeichneten Kolleg*innen ist der Begriff “Nachwuchs” aus dem Vokabular der Universität zu streichen.

Lehrkraft für besondere Aufgaben (LfbA)

Die LfbA erledigen nicht irgendwelche “besonderen Aufgaben”, sondern sind Dozierende mit einem besonders hohem Lehrdeputat. Sie erfüllen in allen Bereichen grundständige Lehre. Der eigentlich zu verwendende Begriff wäre “Dozierende” oder “Lehrende”.

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